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Die Geschichte vom Sündenfall kennt wohl jeder: Adam und Eva leben im Garten Eden, dem Paradies, und alles ist gut. Es besteht Harmonie, Überfluss und Frieden, es gibt keinen Grund zur Sorge, bis zu dem Zeitpunkt, als Eva vom Baum der Erkenntnis den verbotenen Apfel ißt, Adam verleitet ebenfalls davon zu essen und beide aus dem Paradies vertrieben werden. 
Was hat es mit dieser Geschichte auf sich? Es gibt verschiedene Interpretationen dazu und ich möchte hiermit einen eigenen Ansatz mit Euch teilen, inspiriert von dem Autor Jan Geurtz, der das Paradies als unseren vollkommenen Bewusstseinszustand beschreibt und den Fall daraus, als Illusion vom verlorenen Paradies. Ist der Sündenfall der Menschheit der illusionärste und zugleich sinnvollste Trugschluss unserer Spezies?

Im Grunde genommen ist es so: wenn wir als Babys geboren werden, kommen wir noch verbunden mit dem Einheitsbewusstsein hier auf der Erde an. Wir sind glücklich, einfach weil wir SIND, nehmen unsere Umwelt und uns Selbst als Einheit war, unser Ausdruck ist spontan, ehrlich und frei. Im Laufe der Erziehung sammeln wir dann unsere ersten „Neins“, wir erfahren Ablehnung, wenn wir etwas Ungewolltes tun und lernen zu unterscheiden was richtig ist und was falsch. Dies hängt natürlich fast ausschließlich von den Einstellungen unserer Beziehungsberechtigten, den gesellschaftlichen Umständen und prägenden Menschen um uns herum ab, denn im Grunde genommen ist die Wertung in „gut und schlecht“ ein Konstrukt des menschlichen Verstandes. Dies könnte bereits als Sündenfall interpretiert werden, denn erst die Wertung macht es uns hier im Leben oft so schwer, sie führt zu Begehren, Ablehnung, Widerstand, Sehnsucht, Gier, Neid, Angst, Wut, Hass usw… Ist es der Baum der Erkenntnis, der uns in die Welt der Dualität katapultiert, in der von nun an alles verglichen und kategorisiert wird? 

Fakt ist: wenn wir jeden Moment bei vollem Bewusstsein wahrnehmen würden, ohne Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft, ohne Bewertung, ohne Vergleich, einfach in voller Akzeptanz dessen was gerade ist, dann gäbe es keinen Grund nicht glücklich zu sein, oder?

Ich sah mal einen Mann in Indien, er war offensichtlich obdachlos, seine Haare waren zerzaust, seine Kleidung dreckig und zerlumpt, doch ohne erkennbaren Grund strahlten seine Augen wie die eines Kindes und er schien der glücklichste Mensch in ganz Kalkutta zu sein. Es war offensichtlich, dass seine innere Erfahrung diesen Mann in dem Moment unglaublich erfüllte.

Bleiben wir beim heranwachsenden Kind: dieses möchte natürlich geliebt werden, schließlich hängt instinktiv sein Überleben davon ab, ob seine Eltern es versorgen oder nicht. Also fängt es an, sich selbst zu beschneiden, und zwar immer wieder, wenn es ein negatives Feedback von Außen erhält. So nachdem Motto „Aha, wenn ich schreie, ist Mama traurig – es ist besser wenn ich leise bin“ oder „wenn ich wütend bin, werde ich bestraft – ich darf nicht wütend sein“ usw. Jeder kennt das, dieses Phänomen nennt sich Anpassung, oder auch Konditionierung. So entsteht eine Vielzahl von internen Rückschlüssen und Glaubenssätzen, die dazu führen, das ein Kind sich schlecht, schuldig, ungenügend und dumm fühlt. Selbst wenn es den Eltern meist nicht bewusst ist und sie es ebenfalls in ihrer Kindheit so erfahren haben, ist es dennoch so, dass durch die Wertung des kindlichen Verhaltens und die dementsprechende Erziehung, das Kind ein negatives Bild von sich Selbst erhält, welches bei fast allen Menschen unserer Kultur etwa folgendermaßen zusammengefasst werden kann: „So wie ich bin, bin ich nicht richtig. Ich muss anders sein, um geliebt zu werden.“ Dies stellt zugleich einen Schutzmechanismus dar, denn wenn das Kind sein Verhalten selber ablehnt, also unterdrückt, kann es nicht wieder von der Umwelt dafür abgelehnt werden, was auf Dauer einfach zu schmerzhaft wäre. Einfach ausgedrückt: das Kind passt sich an und beschneidet sich damit selbst. Individuell entwickeln sich hier klassische Glaubenssätze die meist an den Gedanken bzw. das Gefühl gekoppelt sind, nicht wertvoll und unvollkommen zu sein. Um dieses innere Gefühl von Minderwertigkeit zu überlagern, werden zahlreiche Strategien geboren, um zu beweisen, dass man eben doch liebenswert, wertvoll ect. ist. Der Leistungsdruck, Anpassung und das ewige Streben nach “mehr” sind geboren, ebenso wie das negative Selbstbild, welches tief in den meisten Menschen schlummert und dermaßen schmerzhaft ist, dass es lange nicht gesehen werden will. Depression und andere psychische Probleme können die Konsequenz der anhaltenden Unterdrückung vitaler Impulse und des eigenen authentischen Ausdrucks sein.

Das Interessante dabei ist, dass wir unter diesem negativen Selbstbild nach wie vor vollständig sind: kreativ, liebevoll, weise, spontan, voller Freude und höchstem Selbstausdruck und Bewusstsein. Aus Angst vor Ablehnung haben wir gelernt uns Selbst abzulehnen und fühlen uns aufgrund der abgeschnittenen Selbstanteile, verständlicherweise unvollständig. Doch dies ist eine Illusion, denn wir sind in unserer Essenz immer vollständig, bewusst, liebenswert, weise und Vieles mehr, die Frage ist nur, wieviel Schutzmechanismen liegen darüber, die unseren spontanen Selbstausdruck, unsere Genialität und reine Lebensenergie unterdrücken? 

Photo by Ali Yahya on Unsplash

Der Baum der Erkenntnis ist möglicherweise nichts Anderes, als die Welt des Verstandes, in der bewertet wird und eine immer tiefere Verstrickung in die Pole der Dualität erfolgt. Und das Paradies, das Einheitsbewusstsein, aus dem wir im Laufe des Heranwachsens fallen, finden wir indem Moment wieder, indem wir es schaffen die Illusion vollständig zu durchschauen und aufzulösen. 

Warum ist dieser Trugschluss dennoch so sinnvoll für das menschliche Dasein? Ganz einfach: weil Du Dir als Baby Deines Einheitsbewusstseins nicht bewusst bist. Du BIST einfach. Und das ist auch gut so. Wenn Du nun als erwachsener Mensch, nach all der Trennung, dem Schmerz und den Erfahrungen innerhalb der Dualität zu Deinem wahren Seins-Kern und der Verbindung mit allem was ist zurückfindest, entsteht eine bewusste Glückseligkeit, die auch als Erleuchtung bezeichnet werden kann. Die sogenannten göttlichen Verweilungen nach denen sich wohl jeder Mensch sehnt, können dann wieder im Leben dauerhaft manifestiert werden: liebende Güte, grundlose Freude, mitfühlende Liebe und gelassenes Sein. Diese Zustände entspringen einer vollkommen anderen Dimension als unsere niederen menschlichen Gefühle. Um dort hinzugelangen, ist es wie bei allen Transformationsprozessen nötig, die eigene Selbstablehnung wahrzunehmen und anzunehmen, um sie dann zu durchdringen, zu wandeln und den wahren Selbstkern, der uns allen innewohnt von den Limitierungen des menschlichen Daseins zu befreien. Ein wichtiger Schlüssel hierfür ist neben kontinuierlicher Beobachtung und ehrlicher Reflexion der eigenen Gedanken und Gefühle, liebevolle Geduld mit sich Selbst. Sehr viele Menschen befinden sich gerade in diesem Prozess des „Aufwachens“ und das Potenzial auf der Erde wieder ein Paradies zu erschaffen, liegt in unserer Hand.

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